Presse-Information, September 1999

Sprache im Nachkriegsdeutschland - Neues Projekt am Institut für Deutsche Sprache (IDS).

Was sagt eine Gesellschaft über sich aus, wenn sie ihre politische Vergangenheit - Adolf Hitler und den Nationalsozialismus - als "Dämon", "das Böse" oder die "Macht der Finsternis" bezeichnet?
Was bedeutet es, wenn eine Gesellschaft ihre Gegenwart als "Sintflut", "Endzeit" oder "Chaos" empfindet?
Was heißt es, wenn die Zukunft in Hochwertwörtern wie "abendländische Kultur", "christliche Werte", "Freiheit und Gerechtigkeit" versprachlicht wird?

Diese und andere Fragen sollen in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekt im Institut für Deutsche Sprache" (IDS) unter der Leitung von Dr. Heidrun Kämper beantwortet werden. Das Institut für Deutsche Sprache ist die zentrale wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung des heutigen Deutsch und seiner neueren Geschichte.
In einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, zu der neben Sprachwissenschaftlern auch ein Zeithistoriker gehören wird, sollen Texte der Jahre 1945-55 aus den Bereichen Politik, Kirche, Literatur, Wissenschaft und aus dem Alltag (Brief, Tagebücher, Spruchkammerakten) untersucht werden.

Dem Projekt liegt die Ausgangsüberlegung zugrunde, dass zu keiner anderen Zeit der neueren deutschen Geschichte das Denken in Zeitkategorien so zentral war, wie in der früheren Nachkriegszeit. Daher ist vorgesehen, die untersuchten Texte zunächst nach den drei Zeitdimensionen zu ordnen: Aussagen über die vergangene Nazizeit, die Zerstörung und Not der Gegenwart und die künftige Gestaltung der Gesellschaft.

Als Ergebnis werden eine Darstellung von Nachkriegsdeutsch als dem Sprachstadium einer Umbruchzeit und die Offenlegung ihrer sprachlichen Ausdrucksform angestrebt.
Vergleichbare Untersuchungen zu einem Sprachstadium einer Umbruchzeit wurden im Institut für Deutsche Sprache unter anderem für den Ost-West Sprachgebrauch 1989/90 unlängst durch die Publikation "Schlüsselwörter der Wende" abgeschlossen.